Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und digitaler Prozesse für den Bioland-Hof

Projektstatus

Planung
100%
Durchführung
100%
Dokumentation
100%

Hintergrund

Der Bioland-Hof Zielke befindet sich im kleinen Ort Görlsdorf. Das Dorf ist ein Teil der Gemeinde Vierlinden und liegt unweit der westlichen Grenze des Oderbruches nahe der Stadt Seelow. Seit 1992 werden dort, nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes, Gemüse, Kräuter und Kartoffeln angebaut. Der Familienbetrieb mit seinen ca. 20 Mitarbeitenden legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und ökologischen Landbau. Im Sommer des Jahres 2015 hat die Gärtnerei einen zweiten Standort in Golzow im Oderbruch hinzugewonnen. Dort bewirtschaftet der Bioland-Hof ein größeres Gewächshaus und einige Hektar Freilandfläche.

Mit ihren Produkten beliefert das Unternehmen den Großhandel Midgard und damit die Märkte der Bio Company sowie einige Naturkostgeschäfte. Ein weiterer Teil des Gemüses wird in Berlin auf verschiedenen Wochen- bzw. Ökomärkten verkauft.

Herausforderung

Der Bioland-Hof Zielke ist ein klassischer Familienbetrieb, der 2023 an die nächste Generation übergeben wurde. Im Laufe der letzten Jahre wurde die Anbaufläche kontinuierlich von 2,5 ha auf 50 ha erhöht. Diese Veränderung und neue Auflagen, die Nachverfolgbarkeit von Waren betreffend, stellen die über viele Jahre gewachsenen Prozesse auf eine harte Probe. Der Betrieb arbeitet größtenteils noch mit analogen Systemen, insbesondere mit einem klassischen Kassenbuch, das den Verkaufsprozess auf dem Wochenmarkt dokumentiert. Digitale Kassensysteme oder eine moderne Prozessautomatisierung sind bisher nicht im Einsatz. Der Anbau wird derzeit manuell geplant, was zu Ineffizienzen und Kommunikationsproblemen führt. Es fehlt an einem strukturierten Informationsfluss zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen. Dadurch sind bestimmte Absatzwege gefährdet, die für das Weiterbestehen des Hofes essentiell sind.

Aus diesen Gründen möchte die neue Betreibergeneration zum einen das bestehende Geschäftsmodell als auch die Prozesse auf den Prüfstand stellen und herausfinden, wie sie sich für die Zukunft wappnen können.

Lösung

Das übergeordnete Ziel des Projekts ist es, die betrieblichen Prozesse des Bioland-Hofs zu analysieren, zu verbessern und zu digitalisieren, um die Effizienz zu steigern und den Betrieb zukunftssicher zu machen. Im Detail bedeutet das, dass alle betrieblichen Abläufe zunächst durch eine gründliche Prozessanalyse untersucht werden, um ineffiziente Bereiche zu identifizieren und gezielt zu optimieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Digitalisierung der Warenwirtschaft, da es dringend erforderlich ist, die Nachverfolgbarkeit der Waren im gesamten Prozess sicherzustellen. Gleichzeitig soll der Betrieb so zukunftssicher aufgestellt werden, dass er flexibel auf kommende Entwicklungen, insbesondere in den Bereichen Klima, Personal und Technik, reagieren kann.

Um den Bioland-Hof Zielke bestmöglich unterstützen zu können, begleiten die Zentren Spreeland und Lingen.Münster.Osnabrück das Unternehmen gemeinsam bei der Bewälitgung dieser Herausforderungen.

Das Zentrum Lingen.Münster.Osnabrück hat sich vornehmlich bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in Form von Workshops und Mentorendialogen eingebracht. Dabei standen besonders die Ziele und Visionen des Unternehmens für die Zukunft im Fokus. Es wurde darauf eingegangen, welche Herausforderungen auf sie zu kommen, welchen äußeren Einflüssen sie sich stellen müssen und wie sie darauf reagieren können.

Das Zentrum Spreeland hingegen hat sich gemeinsam mit dem Team des Hofes an die Analyse der betrieblichen Abläufe gemacht und gemeinsam neue Konzepte für die Warennachverfolgung ausgearbeitet. Das Hauptziel bestand darin, den Prozess so wenig wie möglich zu verändern, um Optimierungen zu erzielen, während gleichzeitig die Integration neuer Abläufe auf ein Minimum beschränkt wurde. Auch die Investitionskosten für neue Infrastuktur sollte so gering wie möglich gehalten werden.

Umsetzung

Zu Beginn des Projektes verschafften sich die beteiligten Zentren vor Ort einen Überblick über die Ausgangssituation und besprachen im direkten Kontakt mit dem Team des Bioland-Hofes die aktuellen und künftigen Herausforderungen. Darauf folgten zwei weitere Workshops, in denen diese stärker eingegrenzt und mögliche Lösungsansätze besprochen wurden. Dafür wurde im ersten Schritt eine Selbsteinschätzung durchgeführt und ein Wunschzettel für das Unternehmen ausgearbeitet.

Damit weitere Strategien für die Zukunft ausgearbeitet werden können, übernahm das Zentrum Lingen.Münster.Osnabrück die Bearbeitung von Zielen, Visionen und Strategien für die Zukunft. Die verschiedenen Gespräche wurden online geführt. Unter Verwendung eines digitalen Whiteboards wurden für die Zukunftsfähigkeit des Betriebes Herausforderungen gesammelt und das zugrunde liegende Geschäftsmodell nochmals verdeutlicht.Betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Umsatz, Kosten und Gewinnspannen wurden bisher nur manuell und ungenau erfasst. Kennzahlen spielen jedoch eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Implementierung von Veränderungen im landwirtschaftlichen Gemüseanbau. Sie bieten Landwirten nicht nur eine objektive Grundlage zur Bewertung ihrer Maßnahmen, sondern helfen auch dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen und den Betrieb effizienter zu steuern. Kennzahlen ermöglichen es, den Fortschritt zu überwachen, Schwachstellen zu identifizieren und gezielt auf Herausforderungen zu reagieren. Die für den Betrieb relevanten Kennzahlen wurden in den Gesprächen diskutiert und deren möglicher Informationsgehalt aufgezeigt. Der Betrieb wird in der laufenden Saison auf Basis des neuen Wissens Kennzahlen ermitteln und mit diesen die Themen Wochenmarkt, Hofladen, Personalkosten, Lagerkosten und Anbauplanung analysieren. Mit den neu erlernten Werkzeugen ist er dann in der Lage, sich auf Basis der erhobenen Daten zukunftssicher auszurichten.

Das Zentrum Spreeland hat gemeinsam mit dem Bioland-Hof die Systemlandschaft in den Bereichen Anbau, Vertrieb und Buchhaltung strukturiert aufgestellt. Auf Basis dieser Systemlandschaft konnten bestehende Lücken identifiziert und priorisiert werden. Dabei wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, die von einer vollständigen Umstellung auf andere Systeme bis hin zu Ergänzungen einzelner Komponenten reichten. Es stellte sich heraus, dass die größte Lücke in der Warenwirtschaft liegt. Durch eine optimierte Warenwirtschaft wären auch bisher als problematisch angesehene Punkte, wie die Etikettierung der Waren zur Rückverfolgbarkeit, lösbar. Die Prozesse müssen so gestaltet werden, dass die Warenwirtschaft zu jedem Zeitpunkt möglichst exakt den aktuellen Warenbestand widerspiegelt. Um dies zu erreichen, wurden die Prozesse zunächst mithilfe von BPMN (Business Process Model and Notation) modelliert. Anschließend wurden die Prozesse detailliert analysiert, Schwachstellen identifiziert und klare Festlegungen getroffen, an welchen Stellen Rückmeldungen in die Warenwirtschaft eingehen müssen. Darüber hinaus wurden die Systemgrenzen der aktuell eingesetzten Software ermittelt und Lösungen für diese Herausforderungen entwickelt. Hierbei wurden, sowohl in Bezug auf Hard- als auch Software, Lösungsansätze sowie mögliche Technologien vorgeschlagen. Eine der zentralen Ideen war, die bestehenden Hauptprogramme für Anbau und Buchhaltung beizubehalten, obwohl diese nicht direkt miteinander kommunizieren können. Die Möglichkeit von Datei-Exporten und -Importen mittels XML und CSV wurde als ausreichend für den Einsatzzweck bewertet.

Für eine funktionierende Warenwirtschaft müssen drei Hauptprozesse optimiert werden: die Planung, die Ernte und die Bestellungsverarbeitung. Die Planung muss dabei so detailliert erfolgen, dass über das System eine Bestandsschätzung der auf dem Feld befindlichen Waren möglich ist. Um diese Schätzung möglichst genau zu halten, sind regelmäßige Korrekturschleifen vorgesehen. Für den Ernteprozess wurde eine Lösung entwickelt, die bereits notwendige Typenetiketten verwendet, welche auf den Verpackungseinheiten angebracht sind. Diese Etiketten ermöglichen über EAN-Codes (European Article Number-Codes) eine einfache Aufnahme der Ware in die Warenwirtschaft. Die Individualisierung der einzelnen Verpackungseinheiten erfolgt durch einen Stempel mit einer LOT-Nummer (Chargennummer) auf dem Typenetikett. Die gescannten Einheiten werden auf einem Handheld zwischengespeichert und bei bestehender Netzwerkverbindung mit der Warenwirtschaft synchronisiert. Die Bearbeitung von Bestellungen wird durch die bessere Kenntnis des Warenbestands erheblich vereinfacht, da weniger interne Abstimmungen notwendig sind. Zudem sieht der Prozess eine Ausschussüberprüfung während des Packvorgangs vor, sodass der Lieferschein entsprechend angepasst werden kann. Eine weitere Verbesserung stellt die zukünftig notwendige Etikettierung der Paletten dar, die nun im Prozess berücksichtigt ist und automatisch über die Packliste bzw. den Lieferschein erstellt wird, während die Warenwirtschaft gleichzeitig aktualisiert wird.

 

Randolf Schmitt

Randolf Schmitt

Standort: BTU Cottbus - Senftenberg
Schwerpunkt: Konsortialleiter

Tel.: +49 (0) 355 69 5171
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